Zeiterfassung, eines der Themen, bei dem sich die Gemüter in Agenturen oftmals spalten, und seit diesem Jahr durch einen verabschiedeten Gesetzesentwurf des Bundesministeriums für Arbeit noch deutlich relevanter für die Branche geworden ist.
Sie soll der Unternehmensführung, der Finanzabteilung und dem Projektmanagement einen Messwert zur budgetären Nachhaltigkeit sowie Skalierbarkeit des Profits liefern, Defizite in der Wertschöpfungskette identifizieren und eben diese optimieren.
Für die Projektteams hingegen wird Zeiterfassung oft als enormer Mehraufwand mit Komplikationen empfunden und verkörpert eine leidige Kontrollinstanz.
In Zeiten, in denen Marketingbudgets und Agenturhonorare immer weiter gekürzt werden, sollte nicht die Frage gestellt werden, ob Zeiterfassung richtig oder falsch ist, sondern viel mehr, wie man Zeiterfassung revolutionieren und optimieren kann.
Dazu haben wir uns die Situation einmal genauer angeschaut. Wir haben uns hierbei auf die Zeiterfassung innerhalb von Projekten konzentriert. Der Aspekt der „Vollzeiterfassung“ wäre gesondert zu betrachten.
So verzeichnet eine Studie, dass fast 70 % aller Angestellten mindestens einmal in ihrer Karriere bewusst falsche Angaben bei der Zeiterfassung getätigt haben. Dabei sind die größten Formen des Arbeitsbetrugs private Angelegenheiten, nicht erfasste Pausen und unkonkrete Zeiterfassung. Um nur ein Beispiel zu nennen: 72 % der befragten Arbeitnehmer geben an, dass sie Zeiträume für private Angelegenheiten schon als Arbeitszeit erfasst haben.
Wir haben es also mit einer äußerst ungenauen Ausgangslage – sprich, einer ungenauen Datenmenge – zu tun.
Hinzu kommen der Mangel an Disziplin, Widerstand gegen die Überwachung sowie das dynamische Arbeitsumfeld von Agenturen.
Das aktuelle allgemeine Verständnis der Dienstleisterrolle macht eine Prioritätenplanung sehr schwierig, was dazu führt, dass schaffende Gewerke mit mehreren Aufgaben gleichzeitig beschäftigt sind und am Ende des Tages schnell den Überblick verlieren. Das führt zwangsläufig zu verfälschten Zahlen.
Hier ist es klar die Aufgabe des Projektmanagements und der Gewerksleiter, einen Überblick in dem Chaos zu bewahren und die Projekte/Kunden entsprechend zu steuern. Ein gutes Projektmanagement und eine gute Führung zeichnen sich nämlich genau durch diese Fähigkeit aus.
Genauso liegt es auch in ihrer Verantwortung, das Kernproblem fehlender Transparenz und Kommunikation als Eigeninitiative zu verstehen.
Die Projektteams müssen stetig auf die Relevanz der Zeiterfassung sensibilisiert werden. Auch positive Entwicklungen, die daraus hervorgehen, sollten mit den Projektteams als Erfolg geteilt werden, um sie stärker zu einer ordentlichen Erfassung zu motivieren.
Ein weiteres Kernproblem, da wir hier über Agenturen sprechen, ist die qualitative und quantitative Beurteilung der Arbeit.
Immerhin haben wir es in Agenturen mit kreativen Leistungen zu tun, wie zum Beispiel Design, Text oder Regie. Hier ist bereits die Aufwandsschätzung vor der Stundenerfassung sehr schwierig.
Kreative Prozesse und die Eingebung für eine gute Idee sind oft unvorhersehbar und nicht linear erfassbar. Lässt sich die Arbeit, die eine Agentur für einen Kunden erbringt, überhaupt in quantitativer Zeit messen?
Wann ist das richtige Level an Qualität erreicht?
Warum sind einige Mitarbeitende immer schneller als andere?
Darf dieser leistungsbezogene Aspekt überhaupt erfasst werden?
Wir sagen ja: proaktiv, transparent, genauso fördernd wie fordernd und immer mit den bekannten Zielen vor den Augen. Es muss eine Balance entstehen zwischen dem, was dem Kunden angeboten wurde, und dem, was im Einzelfall leistbar ist.
Unrealistische Vorgaben müssen ebenso angegangen werden wie das Zusammenspiel der Prozessbeteiligten und last not least auch die Performance des Einzelnen.
Aktuell wird das Thema in den meisten Agenturen nicht in seiner Gänze betrachtet, und so kann es dann auch nur bedingt zu einer Optimierung der Zeiterfassung kommen. Hier liegt es klar an der Unternehmensführung, entsprechende Konzepte zu entwickeln.
Es gibt also unterschiedliche Herausforderungen für unterschiedliche Verantwortliche.
Modernste Methoden und Software können das Projektmanagement, das bei der Optimierung der Zeiterfassung als hauptverantwortliches Gewerk in die Pflicht genommen wird, unterstützen.
Beispielsweise durch Tools wie Toggl, Clockify oder Harvest, die eine einfache und automatisierte Zeiterfassung ermöglichen und sich in Projektmanagement-Software wie Asana, Trello oder Jira integrieren lassen. Einige moderne Zeiterfassungssysteme nutzen bereits KI, um automatisch zu erkennen, an welchen Projekten oder Aufgaben Mitarbeiter gerade arbeiten.
Echtzeit-Tracking-Dashboards bieten eine visuelle Darstellung der aufgewendeten Zeit. Diese Transparenz hilft nicht nur den Mitarbeitern, sondern auch den Teamleitern und Managern, den Überblick zu behalten und gegebenenfalls in Echtzeit Anpassungen vorzunehmen. Solche Dashboards können in Tools wie Monday.com oder Teamleader eingebunden sein.
Aber gibt es auch Zeiterfassungsmethoden, die verhaltensbasiert agieren?
Bei dieser Methode wird die Zeit nicht auf einzelne Aufgaben, sondern auf das Arbeitsverhalten des Mitarbeiters erfasst. Zum Beispiel könnte das System automatisch erkennen, wenn ein bestimmter Mitarbeiter mit einer bestimmten Art von Software arbeitet (z. B. Adobe Photoshop oder MS Word) und diese Zeit dann einem bestimmten Projekt zuordnen. Dies reduziert manuelles Eingreifen und steigert die Genauigkeit.
Es gibt außerdem Modelle wie Zoho Projects oder Wrike, die Zeittracking und Leistungsmanagement kombinieren. Statt sich nur auf die reine Zeiterfassung zu konzentrieren, könnten Agenturen ein integriertes System entwickeln, das sowohl die aufgewendete Zeit als auch die erzielten Ergebnisse (z. B. abgeschlossene Meilensteine, kreative Ergebnisse oder Kundenzufriedenheit) berücksichtigt. Das ermöglicht eine umfassendere Beurteilung der Produktivität und Effizienz.
Fazit:
Der Nutzen einer Zeiterfassung entsteht nur, wenn sie in ihrer gesamten Komplexität berücksichtigt wird. Alles andere sind Feigenblätter.